Samstag

Guten Morgen ihr Lieben in Deutschland!

Gestern früh sind wir nun gut in Namibias Hauptstadt Windhoek gelandet. Zehn Stunden Nachtflug mit Maske ist wirklich kein Spaß. Alle im Flieger haben einen negativen PCR-Test in der Tasche, alle, denn das ist hier eine konsequente Einreisebegingung.

Man unterscheidet nicht nach geimpft, genesen oder ungeimpft. Alle dürfen nur mit einem negativen Test einen Fuß auf dieses Land setzen! Und trotzdem müssen wir in der deutschen Maschine alle eine Maske tragen. Zum Essen und Trinken dürfen wir sie runter nehmen. Was für ein Glück. Im Duty Free haben wir uns zwei Flaschen Wein gekauft und die nippeln wir ganz genüsslich und gemütlich weg. Jedes Mal, wenn die Stewardess wieder ihren Kontrollgang macht, wird schnell der Becher an die Lippe gezerrt. Aber irgendwann ist auch die beste Flasche Wein alle und die Müdigkeit schlägt zu.
Es ist schon schwer, im Flieger eine gemütliche Schlafstellung zu finden, auf gefühlten 50 mal 70 Zentimetern, aber das Ganze noch mit Maske macht die Sache nicht besser. Ich werde ständig wach und zerre mir, wie ein bockiges Kind, die Maske vom Gesicht, genieße für Minuten die Freiheit. Aber die Stewardessen sind hartnäckig. Nach mehrmaliger Ermahnung meint Cordula: „Du machst noch so lange, bis sie dich hier rausschmeißen.“ Lustiger Gedanke! Ich sehe schon die Schlagzeilen: „Notlandung in Afrika. Maskenverweigerin wird von Bord geschmissen.“

Ich bin also froh, endlich gelandet zu sein. Die Morgensonne Afrikas, die wohlige Wärme, die einem entgegenschlägt, wenn man das Flugzeug verlässt, und die Vorfreude auf den Tag entschädigen einen für die Strapazen.
Die Abfertigung geht relativ zügig, zuerst werden die PCR-Tests unter strengster Miene von zwei Beamten kontrolliert, die Passkontrolle läuft danach entspannter und freundlicher ab. Schnell das Auto von Europcar abgeholt und los geht’s.
Heute haben wir noch keine Termine. Heute ist noch Erholtag. Wir fahren zu Freunden auf die Jagdfarm. Dort ist es schön, das weiß ich. Die Familie auf der Farm kenne ich schon seit fast 20 Jahren. Im letzten Jahr halfen sie mir, als ich zwei Wochen wegen Corona das Land nicht verlassen durfte. Ich möchte Cordula, meiner Lionsfreundin, die mich auf dieser Reise begleitet, wenigstens ein bisschen Afrikafeeling vermitteln.

Die Farm liegt rund 40 Kilometer von Windhoek entfernt. Eine Stunde Fahrzeit, die letzten zehn Kilometer über Schotterpiste. Mit einem Jeep kein Problem, aber wir haben uns einen VW-Bus gemietet, weil wir nächste Woche viel einkaufen und transportieren müssen, und mit diesem Kleinbus über den Schotter zu fahren, ist sehr anstrengend. Wir rütteln uns also die letzten Kilometer zur Farm.
Unterwegs halten wir noch am „Geisterhaus“, wie es bei den Einheimischen heißt. Das hatte ich schon immer mal vor. Seit fast 20 Jahren beobachte ich den Verfall dieses auf einer Anhöhe stehenden, prächtigen, großen, alten Farmhauses. Ich verleite meine Mitreisenden, über den offenen Spalt der Torkette zu klettern und das Haus von Nahem zu erkunden. Innerhalb weniger Sekunden kann man sich vorstellen, wie herrschaftlich und kolonial hier mal gelebt wurde. Schwere Holzdecken, Eisenkamin, große Sonnenterrassen mit gigantischen Fernsichten übers weite Land. Hier wurde teuer gebaut, deshalb ist der Verfall und das Sterben des Hauses zwar langsam, aber dennoch unerbittlich. Als würde das Haus sich wehren, von der Natur begraben zu werden.

Nach diesem Zwischenhalt landen wir kurz vor dem Mittagessen auf der Farm. Es ist nur 20 Monate her, dass ich hier war, aber ich bin erstaunt, was die beiden Farmjungens Philipp und Jan neu gebaut und umgebaut haben. Einige von euch erinnern sich vielleicht an die beiden aus meinem letzten Reisebericht. Der sehr frühe Tod des Vaters hatte Anfang letzten Jahres die beiden vor eine neue Situation und Herausforderung gestellt. Dazu kam Corona. Um so erstaunter bin ich, was sie hier für Ideen umgesetzt haben. Neue Gästehäuser, neuer Speisesaal, noch mehr Freisitze mit Blick zum kleinen Wasserloch – wie auf einer noblen Hotellodge, nur viel familiärer. Man zapft sich hier selber Bier, kommt auf der Terrasse schnell ins Gespräch mit den anderen Gästen, und wird nebenbei kulinarisch verwöhnt von zwei einheimischen Frauen der Farmarbeiter.

Nach dem Mittagessen legen wir uns erst mal schlafen bzw. kühlen uns im Pool noch mal ab. Wir haben kein Internet und so genießen wir den Nachmittag auf der Terrasse, beobachten die Tiere am Wasserloch und ruhen uns einfach mal aus. Jeder von uns Dreien hatte die letzten Tage und Wochen viel zusätzlichen Stress in Vorbereitung dieser Reise, und so tut es einfach gut, mal zu entspannen.
Gegen Abend planen wir spontan einen Ausflug mit dem Jeep. Ich möchte gerne zum Grab des Vaters. Es liegt auf einer Anhöhe am Ende der Farm. Ralf, ein deutschstämmiger Namibianer und aktuell ein Jagdhelfer auf der Farm, möchte zu den Buschmännern und nimmt uns mit. Buschmänner? Ich verstehe nicht. Buschmänner leben im Norden. Was machen Buschmänner hier auf der Farm? Auf der Farm gibt es Damaras, das sind die Arbeiter für die Farm. Ralf klärt uns auf. Er hat vier Jahre im Norden bei den Buschmännern gelebt. Es sind sehr gute Jäger. Und so hat er drei Familien aus dem Norden mitgebracht. Sie leben nun am Ende der Farm in zwei alten Wohnwagen. Wir besuchen die Familien. Doch zuvor erleben wir – für Afrika typisch – einen zauberhaften Sonnenuntergang.

Auf der Anhöhe des Grabes trinken wir mit dem Verstorbenen ein Bier. Das heißt, das Bier wird geöffnet und auf das Grab gestellt. Wir anderen trinken Gin-Tonic und freuen uns an der Natur. Auf der Rücktour halten wir bei den Buschmännern. Es ist ein sehr kleines, zierliches Volk. Von Weitem sehen Frauen und Männer wie 14-jährige Teenies aus. Doch sie sind alle schon Mitte oder Ende 30. Wir sind ein paar Minuten Gäste. Sie zeigen uns stolz ihre „luxuriösen“ Wohnwagen. Die Kinder springen lustig ums Feuer und freuen sich über die große blonde Frau. Ein armes – aber wie mir scheint – zufriedenes Naturvolk. Wir werden morgen den Kindern ein paar gesammelte Mitbringsel aus Deutschland vorbei bringen.

Leider ist es schon dunkel, wir haben nicht viel Zeit zum Reden und deshalb beschließen wir, vielleicht morgen Abend noch mal dort hin zu fahren. Die Rückfahrt auf dem offenen Jeep ist sehr kalt und abenteuerlich. Das Licht am Auto geht ständig aus, und so fahren wir zeitweilig im Dunkeln. Aber Ralf ist ein erfahrener Fahrer und bringt uns gut nach Hause. Dort wartet auf uns schon das Abendbrot. Es gibt Eland, Kartoffelauflauf, Salat, und zum Nachtisch Cheesecake. Wie immer an solchen Abenden sitzt man mit allen Gästen gemeinsam – wie daheim – an einem Tisch. Dabei erfährt man in kürzester Zeit viel Interessantes über das Leben der Anderen. Doch heute siegt die Müdigkeit vor der Neugier, und ich – wir alle – fallen todmüde ins Bett. Heute morgen werde ich vom Gesang der Vögel geweckt. Ich setzte mich mit meiner Decke auf die Terrasse und schreibe euch diese Zeilen.