Dienstag

Heute sind wir gleich nach dem Frühstück aufgebrochen. Ziel: Der Kindergarten. Zuvor haben wir im Supermarkt Äpfel, Bananen, Saft, Kekse und Brötchen für die Kinder gekauft. Danach sind wir auf die Suche nach dem Kindergarten gegangen. Tausende Blechhütten und dutzende Wege. Wir hatten vom Architekten den Standort geschickt bekommen, dennoch war das Navi ständig verwirrt. Geführt von meiner inneren Stimme fanden wir nach etwas verlorener Zeit unser Ziel. Juchhu! Meine kleine Freundin Toini war schon voller Erwartung und schenkte mir wieder ihr warmes, strahlendes Lächeln. Wir umarmten uns wieder sehr innig, wir zwei Frauen aus so unterschiedlichen Welten, und doch von einem gleichen Seelenleben und Kampfesgeist. Die alte Blechhütte des Kindergartens ist viel kleiner als von mir angenommen. Im Inneren saßen 26 Kinder auf engstem Raum, die Luft war stickig, es war dunkel und heiß. Draußen gab die Mittagssonne alles – gefühlte 40 Grad!

Jetzt sind wir vor Ort. Wenn man die Situation selbst sieht und fühlt wird klar, so kann es nicht bleiben! Bis zum Bau des neuen Hauses wird es noch dauern. Wir haben noch kein passendes Grundstück und vor Allem noch nicht das Geld zusammen! Deshalb hatte ich mir schon im Vorfeld Gedanken gemacht, die Blechhütte mit dem wenigsten Aufwand vielleicht zu erweitern und das Dach erst mal zu reparieren. Darum bat ich Toini, sich um drei gute Arbeiter zu kümmern, die uns dabei helfen. Gesagt, getan, besorgt! So stand ein gepflegter junger Mann namens Thomas mit seinen zwei Arbeitern gestern parat. Er hatte sich Gedanken gemacht, einen Plan gezeichnet und diesen dabei. Anders als in Deutschland suchen hier Menschen händeringend nach Arbeit, kämpfen um jede Jobgelegenheit.

Thomas musste sich erst mal in Geduld üben, denn erst mal waren unsere Kinder an der Reihe. Wir packten die neu gekauften Tische und Stühle aus dem Auto, die alten Tische waren alle gerissen und kaputt, die alten Stühle reichten nicht aus und waren meist ebenfalls kaputt. Wir stellten die Möbel zunächst unter einen kleinen, schattenspendenden Baum, und bereiteten zuerst das Essen und Trinken für die Kinder vor. In der Zeit warteten die Kinder ganz geduldig im Inneren. Als Toini die Kinder bat, heraus zu kommen, lief das in einer für uns ungewohnten, ganz ruhigen, disziplinierten Weise ab. Kein Drängeln, kein Schubsen, die Kinder bildeten eine Schlange, die jüngsten und kleinsten vornedran, die ältesten mit gewohnter Selbstverständlichkeit ganz hinten. Obwohl doch ausgehungert und nach Leckerem dürstend, stürzen sie sich nicht, wie oft bei uns zu Hause erlebt, wie Geier auf das Hingestellte. Immer wieder für mich erstaunlich. Das ist die Disziplin und Zurückhaltung, die unseren deutschen, gesättigten, verwöhnten Kindern fehlt!

Dank vieler Freunde haben wir Koffer mit Kinderkleidung und Schuhen dabei. Für die Verteilung der Kleidung möchte sich Toini Zeit nehmen, aber die Kinderschuhe wurden verteilt. Es waren nicht für alle Kinder Schuhe dabei, aber die leer ausgegangenen Kinder waren nicht traurig, sondern freuten sich für die Kinder, die neue Schuhe erhielten. Bemerkenswert. Zum Abschluss bat ich die Kinder um ein kleines Lied für die vielen Unterstützer aus der Heimat. Aus einem Lied wurden dann drei.

Unsere Zeit ist leider sehr knapp. Deshalb ließen wir uns von Thomas seinen Plan zeigen. Er hat sich Gedanken gemacht. Die alte Hütte ist zu niedrig, man müsste nach oben erhöhen, bei dieser sehr einfachen und simplen Bauweise nicht machbar. Deshalb schlug er uns vor, eine neue Blechhütte zu bauen und die alte Hütte später als Lager zu nutzen. Ok. Dann ab in den Baumarkt. Hier in Namibia kann man alles kaufen, wirklich alles, man braucht nur hinreichend Geld!.Die Preise sind nahezu identisch wie in Deutschland. Doch hier verdienen die Menschen aus den Townships, wenn überhaupt, nur 50,00 € bis 200,00 €. Und ernähren davon noch ihre Familie. Aber das nur am Rande.

Im Baumarkt wird ganz unkompliziert anhand der Zeichnung das benötigte Material ermittelt. Das dauert und dauert und dauert. Cordula und ich waren sehr unruhig und hippelig, weil wir kein Gefühl hatten, was das kosten wird. Eine 14 × 4 Meter große Hütte mit zwei Fenstern und zwei Türen, 3 Meter hoch, und einer Zwischenwand. Der erste Kostenvoranschlag betrug 25.000 Namibische Dollar. Wir rechneten. Zu viel. Der zweite betrug nur noch 23.000 Namibische Dollar. Immer noch zu viel. Mit am Ende 18.000 Namibischen Dollar konnten wir dann einverstanden sein. Cordula bezahlte als unsere Schatzmeisterin voller Stolz die Rechnung. Eine gute Investition für unsere Kinder. Thomas wollte sich um den Transport der Materialien kümmern.

Es war bereits nachmittags und der Hunger meldete sich. Wir beschlossen, mit Toini und ihren beiden eigenen kleinen Kindern, die seit dem Kindergarten während unseres Besuchs im Baumarkt geduldig und lieb ausharrten, zum Essen zu fahren. Toini liebt es, wenn wir mit ihr zu LIONS fahren, eine Art Mac Donalds. Also fuhren wir Lions zu LIONS! Gestärkt ging es dann zurück zum Kindergarten. Die Kinder saßen im Schatten des Baumes und freuten sich, als Toini zurück kam. Eine Freundin hatte solange die Kinder liebevoll beschäftigt.

Das Baumaterial war noch nicht angekommen. Aber wir sind optimistisch, dass das noch geschieht. Wir verabschieden uns. Die Hitze und die vielen Eindrücke haben uns müde gemacht. Wir fahren zurück in unser Camp. Ich schreibe noch ein bisschen Tagebuch, wir machen uns frisch und beschließen, in einem naheliegenden Hotel mal schön essen zu gehen. Wir wollen und müssen die Zeit auch nutzen und uns unbedingt einen Plan machen, was wir noch in den verbleibenden drei Tagen erledigen müssen. Während des Essens kommen bei uns die Emotionen hoch. Wir hier in einem schönen Restaurant und da draußen – diese ganz andere Welt mit Menschen, die es sich nicht ausgesucht haben so zu leben und doch ihr Schicksal tapfer ertragen.

Cordula: „Ich habe es mir nicht so schlimm vorgestellt!“ Dann kullern ihr die Tränen. Ja, ich weiß was sie empfindet. Daheim vorm Fernseher zu sitzen und das Ganze nur von Weitem zu sehen, ist anders, als plötzlich mittendrin zu stehen. Eine Fahrt durch die Townships ist das erste Mal für alle hart. Ich habe mich schon etwas daran gewöhnt, aber es erdet und man weiß wieder mal, wie verdammt gut es uns allen geht.